Samstag, 18. Oktober 2014

Der Kampf gegen die Geschlechtsrollenstereotypen in den deutschen Kitas

Mathias von Gersdorff

Möglicherweise aufgrund der Lautstärke der Proteste gegen den „Bildungsplan 2015“ in Baden-Württemberg entging der breiten Öffentlichkeit, dass in den Kindertagestätten (Kitas), also für drei- bis sechsjährige Kinder, ein Umerziehungsprogramm eingeführt wurde, der gewissermaßen noch radikaler ist, als das Projekt für die Schulen.

Maßgeblich in Baden-Württemberg ist die Schrift „Gleichstellung beginnt im Kindergarten - Eine Arbeitshilfe zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen“, herausgegeben vom „Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg“. Die 80-seitge Schrift kann von der Internetseite www.sozialministerium-bw.de heruntergeladen werden.

Die Schrift wurde von Gunter Neubauer, Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts SOWIT, verfasst. Die Tendenz des Instituts wird deutlich wenn man erfährt, was es unter dem Begriff „Geschlecht“ versteht: „Geschlechter werden gemacht, können aber auch neu ausgebildet und verbessert werden. Es gilt, Geschlechterpotenziale zu nutzen! Wir sehen Geschlechter besonders in ihren gestaltbaren Seiten und nutzen dieses Potenzial bei der Entwicklung von Organisationen und Unternehmen.“ Nach diesem Grundsatz ist die Arbeitshilfe für das baden-württembergische Familienministerium geschrieben: Wie „verbessert“ man die Geschlechter – aber noch viel mehr, wie wir noch sehen werden – in und durch die Kitas.

Liest man diese ungeheuerliche Schrift, stellt man schnell fest, dass der Autor und die gesamte Gender-Mainstreaming-Ideologie von einem düsteren Bild des Menschen, der Gesellschaft, der Kultur und der Familie beseelt sind. Diese negative, geradezu deprimierende Sichtweise, durchzieht den gesamten Text und ist wohl der Antrieb der Leute, die meinen, man müsse die menschliche Natur, die Familie und die Gesellschaft „korrigieren“. Diese Drei sind in der Wahrnehmung der „Gender-Mainstreamer“ dermaßen korrumpiert, dass man schon bei dreijährigen Kindern mit der Umerziehung beginnen muss, um anständige – sprich gendergerechte - Menschen hinzukriegen.
Eine ernsthafte psychologische Studie über die Macher des „Gender-Mainstreaming“ würde sicherlich Erstaunliches ans Licht bringen und zeigen, in wessen Hände die Kinder hierzulande gegeben werden.

Die ersten Opfer der Gender-Maistreaming-Umerziehung in den Kitas sind natürlich die Kinder. Ihre Mentalität, die sie im Elternhaus erworben haben, muss dekonstruiert und nach der Gender-Ideologie neu programmiert werden (Der Duktus des Textes entspricht eher einem Text über Computer als über Menschen): „Bei der Auswahl und Zusammenstellung von Spielmaterialien wird darauf geachtet, dass Geschlechtsrollenstereotypen aktiv und bewusst entgegen gewirkt wird.“ Die gemeinten „Geschlechtsrollenstereotypen“ können dreijährige Kinder nur im Elternhaus bekommen haben. Allein an diesem Satz erkennt man, wie dezidiert der Autor gegen das Elternrecht vorgeht und welche moralische Autorität er sich zumisst.

Das Papier gibt klare Anweisungen, wie die Charakterwäsche vollzogen werden soll: „Geänderte Spiele unterstützen Einverständnis abseits der traditionellen Rollen. Buben lernen zum Beispiel wickeln und nicht nur Garagen bauen, Mädchen bauen Hochhäuser und nicht nur Puppenbetten und sie lernen, ihre Interessen durchzusetzen.“

Das Papier des baden-württembergischen Ministeriums verheimlicht gar nicht, dass dieser Erziehungsansatz im Feminismus der 1970er und 1980er Jahre wurzelt, denn damals wurde „die Reproduktion von Rollenstereotypen im Kindergartenalltag thematisiert und kritisiert. Aus dieser Tradition speist sich ein Verständnis von Geschlechterpädagogik als Vermeidung des geschlechtertypischen Rollenlernens.“ Wie allgemein bekannt, sah der Feminismus dieser Jahrzehnte in der Familie und in der Frau als Mutter die Haupthindernisse für die Emanzipation der Frau. Gunter Neubauer möchte also seine Schrift ausdrücklich in der Tradition der emanzipatorischen Bewegung der Zeit unmittelbar nach der 1968er-Revolution setzen.

Damit ein Erzieher seine Rolle effizient erfüllt, soll er sein ganzes Handeln unter folgenden Postulat stellen: „Der Reflexionshintergrund für Gender-Kompetenz ist das Wissen darum, dass Geschlechterverhalten und Geschlechterverhältnisse „gemacht“ und nicht einfach „natürlich“ sind“. Das ist der Grundgedanke de „Gender-Mainstreamings“. Bemerkenswert ist allerdings, wie unkritisch man annimmt, das Geschlechtsverhalten und die Geschlechtsverhältnisse seien mit drei Jahren schon derart willkürlich „gemacht“, dass man die Kinder schon zu diesem Zeitpunkt umprogrammieren muss. Dass das Geschlechtsverhalten bei einem dreijährigen Kind möglicherweise von Natur aus gegeben ist, wird gar nicht in Betracht gezogen.

Kindertagesstätten sind für die Genderisten nicht nur ein Instrument der Umerziehung von Kindern, sondern auch der Familien bzw. der Eltern der Kinder. Über die Kitas soll auch das Familienleben umgestaltet werden und die traditionellen Rollenmuster in der Familie dekonstruiert werden: „Im Alltag der meisten Kindertageseinrichtungen geht man stillschweigend davon aus, dass vor allem die Mütter für Erziehungsfragen und den Kontakt zum Team „zuständig“ sind auch wenn sich Väter immer öfter blicken lassen und eine zunehmend aktive Erziehungsrolle übernehmen wollen.“ Den Erziehern in den Kitas sollte es eigentlich egal sein, wie die Eltern die Erziehung ihrer Kinder organisieren. Doch für die Genderisten ist die Kita ein Ort einer umfassenden Gesellschaftsumgestaltung. Welches Recht sie dazu haben, wird gar nicht hinterfragt. Für sie ist das eine Selbstverständlichkeit.

Spätestens an dieser Stelle wird einem klar, dass die Gender-Ideologen sich wie die Verkünder einer neuen Religion gebaren: Sie sind von ihrer Sache völlig überzeugt und fühlen sich im Besitz der absoluten moralischen Autorität. In der gesamten Schrift des baden-württembergischen Familienministeriums ist kein einziges Wort enthalten, das auf Selbstkritik oder Selbstzweifel schließen ließe. Die Genderisten sind dermaßen davon überzeugt, sie hätten die Wahrheit gepachtet, dass sie keinerlei Skrupel spüren, wenn sie über die Mentalitäten der Kinder, über das Familienleben und über die gesellschaftlichen Gewohnheiten urteilen. Alles muss von ihnen „korrigiert“ und in die „richtige“ Bahn gelenkt werden.

Entsprechend der „Arbeitshilfe“ zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in Kindertageseinrichtungen sollen die Kitas auch an der ideologischen Umpolung des Volkes mitwirken, indem sie einen neuen Familienbegriff prägen: „Für Erzieherinnen und Erzieher gilt es aber auch, einen professionellen Blick für die Vielfalt moderner Familienformen mit ihren teils ganz unterschiedlichen Bedürfnissen zu entwickeln: traditionelle Familien (Vater arbeitet, Mutter ist zuhause), modernisierte Familien (z.B. beide sind berufstätig, verbinden Erwerbs- und Familienarbeit oder praktizieren einen Rollentausch), „neue Eltern“ (alleinerziehende Mütter und Väter, „Regenbogenfamilien“), zusammengesetzte Lebens- und Familienformen (Stief- oder Fortsetzungsfamilien, Wohn- und Lebensgemeinschaften). Hilfreich ist dabei die Reflexion der eigenen Familiengeschichte und des eigenen Familienbilds. Familien stärken, heißt dann, sich offen und einladend für alle Familienformen zu zeigen und die eigene Praxis entsprechend zu gestalten von der Anmeldung, Aufnahme und Eingewöhnung über Elterngespräche und Angebote der Elternbildung „für alle“ bis hin zur Gestaltung von Festen.“

Gunter Neubauer setzt einfach voraus, Patchwork sei das neue Familienbild, obwohl das weder in der Politik noch in der Gesellschaft so ist. Es leben zwar viele Menschen in Verhältnissen, die nicht der traditionellen Familie entsprechen, dennoch wird diese als die ideale Partnerschaftsform von einer großen Mehrheit angesehen. Für die Genderisten spielt das keine Rolle. Sie haben die Wahrheit schon anders definiert.

Auch „Diversity“ bzw. “Akzeptanz sexueller Vielfalt“ darf in der Kita nicht fehlen, denn „Respekt und Toleranz für die moderne Vielfalt von Geschlechterrollen, Geschlechtsidentitäten und Familienformen“ seien zu fördern – bei dreijährigen Kindern!

Offensichtlich sollen die Kitas die Kinder lebenslang prägen. Die Aufgabe der Kitas ist, aus den Kindern den neuen genderkonformen Menschen zu basteln: „Bei der Entwicklung von Gehirnstrukturen gibt es kein voreingestelltes biologisches Programm, das Entwicklungen absolut determiniert. Das Gehirn ist vielmehr ein biosoziales Organ, das sich nur in der Interaktion mit der natürlichen, vor allem aber der sozialen Umwelt entwickeln kann. Insofern ist jedes Gehirn das Ergebnis seines Gebrauchs (Gerald Hüther). Daraus folgt eine große Offenheit für kulturelle Prozesse.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Genderisten wollen nicht bloß die Ansichten, Meinungen, Anschauungen ändern, was ja auch jede politische Partei oder Kirche anstrebt: Nein, ihr Ziel ist die Veränderung des menschlichen Gehirns um so eine lebenslange Prägung zu erzielen! In der Antike wurden Sklaven Brandzeichen auf die Haut gesetzt. Heute wird die Gender-Ideologie ins Gehirn eingebrannt, um aus den Menschen Sklaven dieser Ideologie zu machen.

Spätestens an dieser Stelle versteht man, wieso die Gender-Revolution mit den dreijährigen Kindern durchgeführt werden muss. Die Genderisten wissen: je jünger ein Gehirn, desto beeinflussbarer ist es.

Die Hartnäckigkeit, die Zielstrebigkeit aber auch die Bosheit, mit der die Genderisten vorangehen, ist erschütternd. Unfassbar auch, wie die Union diese Revolution gefördert hat. Eine C-Politikerin, Bundesfamilienministern Ursula von der Leyen während der Großen Koalition 2005-2009, hat die entscheidenden Maßnahmen zur Durchsetzung des Gender-Mainstreamings in Deutschland durchgeführt.

Diese Revolution konnte nur im Stillen durchgeführt werden, so ungeheuerlich ist sie. Würde die große Mehrheit der Menschen erfahren, welche radikalen Fanatiker da am Werk sind, wäre ihre Durchführung nicht möglich. Doch die Erfahrung zeigt, dass man sich nicht groß auf die Politik verlassen darf. Wie in vielen anderen Themenbereichen auch, kann nur der Protest der Basis der Gesellschaft, also des Volkes selbst, diesen Angriff auf die Kindheit abwenden.

(aus „Junge Freiheit“ vom 10.03.2014 unter dem Titel „Angriff auf die Kindheit“)

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