Montag, 13. Juni 2016

Das Mittelalter dürstete nach übernatürlichem Leben, welches unsere Zeit geringschätzt


Im Verlaufe dieses Jahres erfüllen sich dreizehn Jahrhunderte seit dem Tode des heiligen Papstes Gregor, des ersten dieses Namens. (...) Bedeutsam sind diese Ermunterungen, die wir Gregor verdanken. Jene, an die sie einst gerichtet waren, leisteten ihnen auch Gehorsam. Während Völker und Fürsten ihnen ein williges Ohr liehen, kehrte die Welt auf der Bahn des wahren Heiles zurück und eilte einer glänzenden und glücklichen Zeit der Gesittung entgegen, die um so größer war, je kräftigere Grundlagen sie schützten. Jetzt wurden die geistigen Kräfte wieder würdig eingesetzt, die gute Sitte blühte wieder auf; die göttliche Offenbarungslehre und die Gebote des Neuen Bundes gaben ihr alle Stärke.

Die Völker jener Zeit waren wohl roh, ungebildet und ungesittet, aber sie verlangten nach Leben. Das aber konnten sie nirgends empfangen als bei Christus in der Kirche: Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10). Und wahrlich, sie fanden das Leben, und zwar in reichem Strome. Denn wenn von der Kirche nur übernatürliches Leben ausgehen kann, so enthält dies doch auch in sich die Lebenskräfte der natürlichen Ordnung und bringt sie zur Entfaltung. Ist die Wurzel heilig, sagt Paulus zu den Heiden, dann sind es auch die Zweige; du aber bist als wilder Ölbaum eingepfropft in jene und teilhaftig geworden der Wurzel und der Fettigkeit des edlen Ölbaumes (Röm 11,16-17).


Unser Jahrhundert genießt den Segen der christlichen Bildung in einem Maße, dass es in keiner Weise mit dem Zeitalter Gregors verglichen werden kann. Aber es scheint, als wolle es des Lebens überdrüssig werden, aus welchem vor allem, ja oft ganz allein so viele Güter nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart zu erklären sind.

Aus der Enzyklika "Jucunda Sane" vom hl. Pius X., vom 12. März 1904

Keine Kommentare: